Wie Marc Aurel und Seneca uns lehren, Resilienz im Alltag zu finden
- Rosalia Morris
- 15. Okt. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Wir leben in einer zunehmend chaotischen und unsicheren, und manchmal auch beängstigenden, Welt. Stell dir nun vor, dass deine innere Ruhe dennoch unerschütterlich bleibt. Das hört sich nach einem Superhelden-Attribut an, aber es ist für jeden erlernbar – und die Methode ist seit tausenden von Jahren bekannt.

Die alten Stoiker haben uns genau das gelehrt. In diesem Artikel wirst du Prinzipien nähergebracht, wie sie schon die stoischen Philosophen Marc Aurel und Seneca lehrten. Auch wenn sie vor so langer Zeit entstanden sind, haben sie dennoch nicht an Bedeutung verloren. Wir werden deshalb einige ihrer Lebensweisheiten genauer ansehen und filtern, wie du diese in deine aktuelle Realität umsetzen kannst, um Resilienz im Alltag zu fördern.
1. Was Stoizismus bedeutet: Warum er heutzutage so kostbar ist
Stoizismus ist eine alte Philosophie, die darauf abzielt, die eigenen Gedanken und Gefühle zu kontrollieren, um ein ruhiges und ausgewogenes Leben zu führen. Die Stoiker waren der Ansicht, dass es uns nicht möglich sei, die äußeren Umstände zu beherrschen, aber sehr wohl, wie wir darauf reagieren. Besonders in Zeiten von Unsicherheit, Stress und alltäglichen Schwierigkeiten kann die stoische Philosophie als nützliche – ja fast essenzielle – Ressource genutzt werden. Die Anforderungen und der Konkurrenzkampf im beruflichen, sowie auch manchmal im privaten Leben steigen. Neben den persönlichen Herausforderungen hat man auch mit den furchtbaren Nachrichten aus dem Internet zu kämpfen und jeder muss für sich einen Weg finden mit den teils dystopischen Vorhersagen umzugehen. Das kann manchmal sehr herausfordernd und zugleich lähmend sein.
Einer der bekanntesten Stoiker war der römische Kaiser Marc Aurel. In seiner Amtszeit hatte die Wahl: Wie bereits auch seine Vorgänger im höchsten Prunk leben und die besten Speisen und edelsten Vergnügungen direkt im Palast genießen. Oder seinen Soldaten im Krieg beizustehen. Er entschied sich für letzteres und lebte 20 Jahre bei Brot und Wasser in den tiefsten germanischen Wäldern. Jeden Tag war er mit Krankheit, Tod und Angst konfrontiert. Aber wenn er Schwäche zeigen würde, was würde das wohl für seine Soldaten bedeuten? Und so fing er an Tagebuch zu führen, um Ruhe und innere Stabilität zu bewahren. Seine Meditationen - die heute ein Standardwerk des Stoizismus sind - verdeutlichen, wie er durch Selbstreflexionen seinen Verstand behielt. Sie zeigen, wie wir mit den furchtbarsten Umständen umgehen können. Wie wir stabil und stark den Widrigkeiten des Lebens trotzen, weiter unseren Weg gehen und stärker werden – egal wie schwierig er uns erscheinen mag und wie machtlos wir in unserer Position zu sein scheinen.

2. Marc Aurel: Meister der Selbstreflexion und inneren Ruhe
In seinen Meditationen thematisierte Marc Aurel unter anderem die Wichtigkeit der Selbstkontrolle und des Fokussierens auf das, was in unserer Macht liegt. Das ist nachvollziehbar, wenn man in einer Welt lebt, in der so vieles fremdbestimmt zu sein scheint. Eine seiner berühmtesten Lehren lautet deshalb: „Du hast Macht über deinen Geist – nicht über äußere Ereignisse. Erkenne das, und du wirst Stärke finden.“
Durch die Anwendung dieser Philosophie entwickelte Marc Aurel eine ausgeprägte innere Widerstandsfähigkeit, indem er sich auf seine eigenen Gedanken und Reaktionen fokussierte. Er erkannte, dass es ein wesentlicher Faktor für das emotionale Gleichgewicht ist, Dinge loszulassen, die nicht unter unserer Kontrolle stehen.
Auch wenn die Umstände, unter denen Marc Aurel gehandelt hat, uns heutzutage in dieser Form nicht mehr bekannt sind, können wir uns doch vorstellen, wie komplex und gefährlich sie sein mussten. Trotz – oder gerade wegen – solcher enormen Herausforderungen, denen er sich damals stellen musste, praktizierte er konsequent Stoizismus. Genau diese Denkweise verhalf ihn in den düsteren, gefährlichen, germanischen Wäldern innerliche Ruhe zu bewahren, sowie den Fokus auf seine Ziele nicht zu verlieren.
Auch wir können in der modernen Welt oft diesen Anker gebrauchen, der mit den Prinzipien dieser Philosophie einhergeht. Genau wie damals können wir dadurch zu mehr Resilienz gelangen und uns im Alltag auf unsere eigenen Handlungen und Einstellungen fokussieren, anstatt uns von äußeren Problemen wie der Meinung anderer oder unvorhergesehenen Schwierigkeiten überwältigen zu lassen.

3. Seneca: Die Weisheit, mit Schwierigkeiten umzugehen
Die Wichtigkeit von Vorbereitung und Akzeptanz wurden von Lucius Annaeus Seneca, einem weiteren bedeutenden Stoiker und Politiker, in seinen Briefen hervorgehoben. Seine Lehre konzentriert sich häufig auf den Begriff der praemeditatio malorum, also der Vorausschau auf mögliche Hindernisse und das bewusste Akzeptieren dieser Hindernisse, bevor sie eintreten.
„Ein weiser Mensch betrachtet das, was noch nicht gekommen ist, als schon gekommen.“
Seneca
Seneca schlug vor, dass man sich vorstellt, was schiefgehen könnte, um besser darauf vorbereitet zu sein. Anstatt uns vor potenziellen Problemen zu fürchten, sollten wir lernen, sie als einen Teil des Lebens anzunehmen. Diese mentale Vorbereitung fördert die Widerstandsfähigkeit und hilft dabei, ruhig zu bleiben, selbst wenn es zu Problemen kommt. Mit dieser Technik kannst du auch heutzutage deine emotionale Stabilität stärken.
Wenn du mögliche Schwierigkeiten in deinem täglichen Leben voraussiehst – sei es ein schwieriges Treffen, eine bevorstehende Prüfung oder persönliche Herausforderungen – wirst du sie besser bewältigen können, wenn du bereits alles durchdacht hast, auch das Schlechte. Wenn du das Gefühl hast, es schon einmal durchlebt zu haben, wirst du die reale Situation eher meistern, ohne überfordert zu sein. Und meistens ist es dann auch gar nicht so schlimm wie gedacht.
4. Die Bedeutung der Akzeptanz: Dinge loslassen, die du nicht kontrollieren kannst
Seneca und Marc Aurel betonten auch, dass das Leben mit Unvorhersehbarkeiten gefüllt ist. Schreibt man einen 12 Seiten langen Plan mit allen Eventualitäten, kann es trotzdem sein, dass das passiert, was ab Seite 13 fehlt. Für Resilienz ist es deshalb entscheidend, dich nicht weiter mit Dingen aufzuhalten, die außerhalb deiner Kontrolle liegen. Diese Einstellung zur Akzeptanz unterstützt dich dabei, emotionale Erschöpfung zu vermeiden und dich auf deine eigenen Fähigkeiten zu fokussieren.
Als Kaiser musste Marc Aurel zahlreiche Ereignisse bewältigen, die er nicht verändern konnte – seien es unvorhergesehene Kriege oder eine Pandemie wie die Antoninische Pest, welche in den Jahren von 165 bis 180 (eventuell bis 190) nahezu im gesamten Gebiet seines Reichs herrschte. Statt sich in Frustration zu vertiefen, fokussierte er sich auf seine eigenen Handlungsfähigkeiten, wodurch er seine innere Stabilität und das Gefühl von Kontrolle aufrechterhalten konnte.
5. Paar Stoische Werkzeuge für dem täglichen Gebrauch
Vorausschau und Vorbereitung: Stelle dir mögliche negative Ereignisse bewusst vor (praemeditatio malorum). Wenn du dir die schlimmsten Szenarien ausmalst und akzeptierst, dass sie eintreten könnten, wirst du besser vorbereitet sein, wenn es tatsächlich dazu kommt.
Fokus auf das, was du kontrollieren kannst: Richte deine Energie auf das, was in deiner Macht liegt – deine Handlungen und Einstellungen. Lass dich nicht von Sorgen über die Zukunft oder von Dingen, die außerhalb deiner Kontrolle liegen, ablenken.
Akzeptanz und Gelassenheit üben: Lerne, Dinge loszulassen, die du nicht ändern kannst. Indem du diese Unvermeidlichkeiten akzeptierst, bewahrst du emotionale Stabilität und bleibst handlungsfähig. Dies hilft dir, auch in stressigen Situationen klar und konzentriert zu bleiben.
Zusammenfassung
Seneca und Marc Aurel weisen darauf hin, dass Resilienz hauptsächlich darin besteht, unsere eigenen Gedanken und Reaktionen zu kontrollieren. Wir werden emotional robuster und gelassener, wenn wir uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können, und Dinge akzeptieren, die wir nicht (mehr) verändern können.Probiere heute noch eine der stoischen Techniken aus – ob es darum geht, potenzielle Schwierigkeiten zu visualisieren oder bewusst Dinge loszulassen. Diese einfachen Übungen können der erste Schritt zu einem ruhigeren, resilienteren Alltag sein.
Die stoische Philosophie bietet viele wertvolle Werkzeuge, um innere Stabilität zu erreichen und Herausforderungen mit Gelassenheit zu begegnen. Indem du diese Prinzipien in deinen Alltag integrierst, wirst du langfristig mehr Ruhe und Widerstandskraft aufbauen können.
Quellen
Aurelius, M. (2002). Meditationen. Deutscher Taschenbuch Verlag.
Seneca, L. A. (2017). Briefe an Lucilius. Reclam Verlag.
Irvine, W. B. (2009). A Guide to the Good Life: The Ancient Art of Stoic Joy. Oxford University Press.
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